
Die Bibel als Herrschaftsinstrument – und als Waffe des Widerstands
Der sogenannte Deutsche Bauernkrieg war ideologisch noch vom Mittelalter geprägt. Die Bibel – dieses schwarze Buch zur Zucht und Verdummung – diente als ideologisches Fundament sowohl für die Fürstenherrschaft als auch für den Widerstand der Unterdrückten. Luther und Müntzer übersetzten sie, machten sie dem Volk zugänglich – und legten damit ungewollt den Keim für die Rebellion.

Von Heinz Ahlreip
20. Mai 2025 |
Zwei Wege der Reformation: Luther gegen Müntzer
Während Luther den sozialen Aufruhr scheute und auf Unterwerfung unter die Obrigkeit drängte, wollte Müntzer mit Waffen die Armut beseitigen. Hier stand Volksreformation gegen bürgerlich-klerikale Reformation. Der Ausgang ist bekannt: Die Rebellion wurde blutig niedergeschlagen – ein verhängnisvoller Kurs, der Deutschlands Geschichte bis heute prägt.
Soziale Forderungen der Bauern
Im Zentrum der Bauernforderungen stand die Abschaffung des Zehnten und der geistlichen wie weltlichen Obrigkeit. Ihre Parole: „Als Adam grub und Eva spann, wo blieb denn da der Edelmann?“ – eine frühe Form antifeudaler Klassenanalyse, wie sie später auch Friedrich Engels als Vorgriff auf kommunistisches Denken beschrieb.
Der Weg Thomas Müntzers
Thomas Müntzer, Sohn eines Handwerkers, studierte Theologie, war beeinflusst von Mystikern und dem frühen Luther. Die Leipziger Disputation 1519 verfolgte er aufmerksam. Der Mensch, so seine Überzeugung, sei fähig, durch Erkenntnis und Aktion die Gesellschaft zu verändern – eine revolutionäre Idee im christlichen Gewand.
Politische Radikalisierung in Zwickau und Prag
In Zwickau kam Müntzer in Kontakt mit frührevolutionären Zirkeln. 1521 verfasste er in Prag das „Prager Manifest“. Er lehnte die klerikale Vermittlung zwischen Mensch und Gott ab und forderte eine Rückkehr zum Urchristentum. Die herrschende Kirche war für ihn ein Hort des Betrugs, gleich welcher Konfession.
Gegen Luther, gegen die Fürsten
Mit der Schrift „Fürstenpredigt“ (1524) bricht Müntzer mit Luther. Er geißelt die Fürsten als Handlanger des Antichristen und ruft zum bewaffneten Aufstand. Die fürstliche Ordnung sei eine pervertierte, von Gott abgefallene Gewaltstruktur – zu stürzen mit dem Schwert in der Hand der Bauern.
Die Volksreformation als revolutionäre Bewegung
Müntzer sprengte den theologischen Rahmen der Reformation. Er verknüpfte religiöse mit sozialen Forderungen, griff zur revolutionären Gewalt und formulierte ein Widerstandsrecht. Die Enteignung der Kirche in Mühlhausen 1524 war ein greifbarer Schritt zur Verwirklichung seiner Ideen.
Das revolutionäre Projekt von Mühlhausen
In Mühlhausen wurden kirchliche Besitztümer an die Armen verteilt. Müntzer erkannte die Bauern als revolutionäre Kraft. Seine Schriften riefen zur Rückgabe der Allmende auf – Land, das den Dorfgemeinschaften gehörte und dem Volk geraubt worden war.
Der entscheidende Moment: Frankenhausen 1525
Im Mai 1525 kulminierte der Bauernkrieg in der Schlacht bei Frankenhausen. Müntzer und die Bauern standen den Fürstenheeren gegenüber. Die Niederlage war katastrophal. Müntzer wurde am 17. Mai gefangengenommen, grausam gefoltert und am 27. Mai 1525 hingerichtet.
Ein Kämpfer seiner Zeit voraus
Müntzer war mehr als ein religiöser Schwärmer. Er war ein Vordenker revolutionärer Theorie und Praxis – in einer Zeit, in der die Mehrheit noch an göttliche Ordnung glaubte. Luther, der sich mit der Obrigkeit arrangierte, sollte noch 21 Jahre leben – und mit seinen Schriften dem deutschen Faschismus ideologische Munition liefern.
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