Lamin Touray durch Polizeieinsatz getötet und von Pseudolinken politisch missbraucht

Demonstranten fordern Gerechtigkeit für den getöteten Lamin Touray | Photo: Videoscan YouTube

Am Sonntag, dem 27. April 2025, fand auf dem Steintorplatz in Hannover ab 14:00 Uhr eine Gedenkveranstaltung für Lamin Touray statt. Am 46-jährigen Mann aus Gambia wurde am 30. März 2024 in Nienburg an der Weser von 14 Polizisten eine tödliche Polizeigewalttat verübt. Unter dem Kommando „Leine los“ eines Polizeihundes feuerten sie mindestens acht Schüsse auf ihn ab; zwei davon trafen tödlich Herz und Leber. Lamin soll sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden haben.

 

Heinz Ahlreip 

 

 

Von Heinz Ahlreip 
28. April 2025

 

 

Dies war kein Einzelfall: Seit 2019 wurden in Niedersachsen sieben tödliche Polizeigewalttaten an People of Color verübt – Aman Aliza (2019), Mamadou Diallo (2020), Kamal I. (2021), Oosay K. (2021), ein namentlich nicht bekannter Mann (2023), Lamin Touray (2024) und Lorenz A. (2025, am 20. April in Oldenburg).

Lamin’s Freundin sagte aus:

„Statt zu helfen, haben sie ihn wie ein Tier im Wald erschossen.

Anschließend habe man sie wie eine Verbrecherin behandelt, sie auf das Polizeirevier gebracht und ihr nicht einmal erlaubt, allein die Toilette aufzusuchen.

Damit zeigt sich erneut, wie falsch die von Himmler popularisierte Parole „Die Polizei, Dein Freund und Helfer“ ist. Man darf nicht vergessen: Der Grundstein der bundesrepublikanischen Polizei wurde von Polizisten gelegt, die zuvor im Dienste Himmlers standen.

Um die ganze Schwierigkeit dieser Thematik zu erfassen, muss eine Gegenüberstellung erfolgen: einerseits das ideologisch notwendige falsche Bewusstsein, andererseits die bittere alltagskapitalistische Wirklichkeit. Über unser aller Haupt schwebt engelsgleich der Satz des göttlichen Märchenerzählers:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Demgegenüber steht Lenins nüchterne Feststellung:

„In den modernen kapitalistischen Staaten sind die Wurzeln der Religion hauptsächlich sozialer Natur. Die soziale Unterdrückung der werktätigen Massen, ihre scheinbar völlige Ohnmacht gegenüber den blind waltenden Kräften des Kapitalismus, der den einfachen arbeitenden Menschen täglich und stündlich tausendmal mehr entsetzlichste Leiden und unmenschlichste Qualen bereitet als irgendwelche außergewöhnlichen Ereignisse wie Kriege, Erdbeben usw. – darin liegt heute die tiefste Wurzel der Religion.“
(Lenin, Über das Verhältnis der Arbeiterpartei zur Religion, Werke, Band 15, Dietz Verlag Berlin, 1960, S. 408)

Es stehen sich somit gegenüber: auf der einen Seite die Worte von der Unantastbarkeit der Menschenwürde in den Lügenbüchern bürgerlicher Juristen, auf der anderen Seite die täglichen und stündlichen tausendfachen Leiden und Qualen, schlimmer als die durch Kriege oder Naturkatastrophen verursachten.

Also darf bei den hingerichteten schwarzen Menschen nicht auf angebliche psychische Erkrankungen der Polizeiopfer hingewiesen werden. Genau das jedoch geschah gestern auf der Kundgebung in fast allen Redebeiträgen.
Es entsteht der Eindruck, als seien 14 erwachsene und ausgebildete Polizisten, die einen wehrlosen Menschen meist von hinten erschießen, psychisch gesund.

Diese Pseudolinken übernehmen kritiklos die ganze Scharlatanerie bürgerlicher Ideologen: Die Opfer seien krank gewesen, der Fehler könne also nicht bei den gesunden, weißen Musterpolizisten liegen.
Wer so redet, hat keinen Begriff davon, was psychisch krank bedeutet.

Im Kapitalismus gilt als psychisch krank, wer nicht (mehr) zur Erhöhung des Mehrwerts beitragen kann.
Schon an der Rampe von Auschwitz wurden Arbeitsunfähige ausselektiert.

Heute wie damals passen Bullen exakt in das Normalbild des Kapitalismus – doch dieses Normale darf nicht als normal akzeptiert werden, ein Grundfehler aller dialektisch ungeschulten Menschen.

Im Kapitalismus dürfen Schwätzer im Namen der angeblichen Redefreiheit reden und reden, während diejenigen, welche die wissenschaftliche Wahrheit vertreten, verfolgt und mundtot gemacht werden. Dies zeigte sich auch bei der gestrigen Veranstaltung.

Wer dort Sonntagsreden hielt, reinigte den Kapitalismus und den bürgerlichen Staat. Entkleidet von seinem ideologischen Brimborium, tritt der Staat vor uns als das auf, was er tatsächlich ist: ein jederzeit mordbereites nationales Kriegswerkzeug des Kapitals gegen die Arbeiterklasse.

Auf welcher Seite liegen also die psychischen Defekte?

Einem Redner, der diese Kritik während der Veranstaltung äußern wollte, wurde auf sozialdemokratische Manier das Mikrofon verweigert:

„Du stehst nicht auf der Rednerliste und ich weiß auch nicht, was Du vortragen möchtest.“

Alles in allem war es eine missratene Veranstaltung.
Es fehlte jede Vorbereitung.

Man hatte offensichtlich nicht einmal gelesen, was Lenin über Rassismus geschrieben hat.
Stattdessen wurde die falsche Parole „Rassismus tötet“ ausgerufen.
So einfach ist das Leben jedoch nicht: Es ist das Kapital, das die Rassen gegeneinander aufhetzt, indem es Schwarzen die ekelhafteste Arbeit zuweist, um die Löhne aller zu drücken. Es ist also das Kapital welches tötet!

Hat man den Satz aus dem Kommunistischen Manifest vergessen?

„Es gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Geschlecht (je nach Rasse, fügen wir hinzu/H.A.) verschiedene Kosten machen.“
(Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960, S. 469)

Es ist, wenn wir Marx lesen, genau umgekehrt:
Nicht die schwarzen Opfer gehören der Abnormität an, sondern die führenden finanzkapitalistischen Bankiers, Industriebarone, Offiziere der Bundeswehr und ihre Helfershelfer.

Doch genau diese Zusammenhänge wurden gestern nicht benannt.

Wann endlich begreift die Pseudolinke, dass die bundesrepublikanische Polizei eine Polizei der Reichen ist? Wann endlich wird sie wirklich zu einer Linken?

Zurzeit betreibt die Pseudolinke nur die Reproduktion eines perversen Systems.
Menschenrechte dürfen nicht individuell und nicht national gefasst werden.
Sie können nur international – im Geist des proletarischen Internationalismus – erkämpft werden.

(Das Lied der Pariser Kommune: Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.)

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Über Heinz Ahlreip 137 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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