Menschenrechte und Klasseninteressen

Die Maßstäbe zur Beurteilung von Menschenrechten sind wandelbar und abhängig von der gesellschaftlichen Stellung

Die Frage der Menschenrechte ist nicht abstrakt im Sinne eines allgemein menschlichen Prinzips zu stellen, sondern konkret klassenkämpferisch – unter der Berücksichtigung, dass Recht der zum Gesetz erhobene Wille der herrschenden Klasse ist. Die Menschenrechtsfrage ist systemisch eingebettet in das politische Gefüge von Klassengesellschaften.

 

Heinz Ahlreip 

 

 

Von Heinz Ahlreip 
30. April 2025

 

 

Für Kapitalisten, die zum Zweck des Profits produzieren, ist ein zentrales Menschenrecht die Steuersenkung.

Für Arbeiter, die arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, ist es die Verkürzung der Arbeitszeit.

 

Revolutionärer Internationalismus als Voraussetzung

Im Manifest der Kommunistischen Partei heißt es:

„Die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.“
(Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960, S. 493)

Keine politische Bewegung – weder kleinbürgerlicher noch bürgerlicher Herkunft – geht so weit, da ihr Klassenhorizont begrenzt ist. Keine reicht bis zum Internationalismus. Doch gerade darin liegt der Schlüssel: Die Erkämpfung von Menschenrechten ist eine Frage des Internationalismus. Die bürgerliche Perspektive ist dafür zu beschränkt – ihre Statue der Menschenrechte bleibt brüchig, nie vollkommen.

 

Menschenrechte im historischen Wandel

Es existiert kein fester Maßstab für Menschenrechte:
Der antike Sklave galt als Vieh, war aber zugleich Ware, die von einem Eigentümer an einen anderen überging.
Der Leibeigene war an Grund und Boden gebunden und erwirtschaftete Erträge für dessen Besitzer.
Der sogenannte freie Arbeiter im Kapitalismus verkauft seine Arbeitskraft vorübergehend an den Kapitalisten.

In dieser Konstellation kann der Lohnarbeiter den Kapitalisten verlassen – und umgekehrt. Doch der Arbeiter kann zwar einem einzelnen Kapitalisten entkommen, nicht jedoch der Kapitalistenklasse. Einmal Lohnsklave, bleibt er es ein Leben lang. Daraus ergibt sich: Die Maßstäbe zur Beurteilung von Menschenrechten sind wandelbar und abhängig von der gesellschaftlichen Stellung.

 

1789: Die Revolution mit aufsteigender Linie

Die klassische bürgerliche Revolution in Frankreich ab 1789 war eine Bewegung mit aufsteigender Tendenz. Ausgehend von der absoluten Monarchie entwickelte sie sich hin zu immer radikaleren republikanischen Regierungsformen, bis zur vollständigen Abschaffung der Monarchie.

Der Maßstab zur Beurteilung von Menschenrechten verlagerte sich dabei zunehmend nach links. Am 20. September 1792 wurde ein Nationalkonvent nach allgemeinem Männerwahlrecht gewählt, der am nächsten Tag das Königtum abschaffte.

Robespierre erklärte im Prozess gegen Danton, dass nicht zählt, welche patriotischen Taten ein Bürger vollbracht hat, sondern ob sein gesamtes Leben den Idealen der Revolution entspricht.

Das ist der Maßstab für Revolutionsgerichte:
Gibt es ein klares Feindbild auf marxistisch-leninistischer Grundlage? Besteht ein gesunder Klassenhass? Liegt eine kontinuierliche, praxisbezogene Bereitschaft zur Gewalt gegen den bürgerlichen Staat vor?
Wenn ja, dann haben wir es mit einem Verteidiger der Menschenrechte zu tun.

 

1848: Die Revolution mit absteigender Linie

Im Jahr 1848 erleben wir erneut eine bürgerliche Revolution in Frankreich – diesmal mit absteigender Tendenz. Im Verlauf der Ereignisse traten immer reaktionärere Kräfte in den Vordergrund, bis schließlich alle unter der Militärdiktatur Bonapartes untergingen.

Der Maßstab zur Bewertung der Menschenrechte verschob sich zunehmend nach rechts.

 

Menschenrechtsexperten – ein bürgerliches Konstrukt

Heute begegnen wir weltweit einer Vielzahl sogenannter Menschenrechtsexperten und Menschenrechtsaktivisten – wie sie sich selbst nennen: Amnesty International, die heutige Rote Hilfe in ihrer Weigerung, sich dem Marxismus-Leninismus zuzuwenden (also in einem Zustand der Depravation), die internationale Rote Hilfe, die UNO, die Caritas – kurz: die „guten Menschen“.

Sie alle geben vor, in ihren Reihen Experten für Menschenrechte zu haben. Doch was befähigt ein x-beliebiges Subjekt dazu, sich über Millionen von Menschen als „Menschenrechtsexperte“ zu erheben?

Jeder Mensch ist kraft seiner Geburt sein eigener Menschenrechtsexperte – nur wer geistig vollkommen eingeschränkt ist und sich nicht frei bewegen kann, ist es nicht.

 

Die Pariser Kommune – ein reales Beispiel

In der Regel fehlt diesen sogenannten Experten jeder Bezug zur Pariser Kommune, in der zum ersten Mal die Rechte der Mehrheit des arbeitenden Volkes – wenn auch nur für 72 Tage – erkämpft wurden.

Der Begriff „Menschenrechtsexperte“ entstammt dem ideologischen Arsenal der bürgerlichen Weltanschauung – und ist eine Falle. Diese Experten, bürgerlicher Herkunft, maßen sich an, dem entrechteten Proletarier zu erklären, was er unter seinen Rechten zu verstehen habe. Doch trotz all ihrer intellektuellen Anstrengungen bleibt der Lohnsklave ein Lohnsklave.

 

Revolution oder Lohnsklaverei

Der aufgeklärte Lohnsklave weiß: Sein Menschenrecht liegt allein im revolutionären Aufbegehren – ökonomisch gegen das System der Lohnarbeit, politisch gegen die Diktatur der herrschenden Kapitalisten-Klasse.

In der Dialektik zwischen bürgerlicher und proletarischer Diktatur entscheidet sich, ob die Ketten der Lohnsklaverei weiter gefestigt oder gesprengt werden.

________________________

.

 

Über Heinz Ahlreip 139 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.