Bürgerlich-faschistoide Kriegsberichterstattung

In der berühmt-berüchtigten antisemitischen Hetzschrift ‘Mein Kampf‘ hat der Autor Adolf Hitler bemerkenswerte Gedanken über die bürgerlich-politische Propagandaarbeit im 20. Jahrhundert, in der Phase des Imperialismus, verewigt: „Je bescheidener dann ihr wissenschaftlicher Ballast ist, und je mehr sie ausschließlich auf das Fühlen der Masse Rücksicht nimmt, um so durchschlagender der Erfolg“1. Das ist keinesfalls Schnee von gestern. Belege, die beweisen, wie wissenschaftlich unqualifiziert bürgerliche Massenmedien über den gegenwärtigen Krieg um die Ukraine berichten, liegen stapelweise auf dem Tisch. Sie erweisen sich als unfähig, den modernen imperialistischen Krieg zu lesen. Die bürgerliche Journaille steht wie versteinert vor der Lösung des Geheimnisses, aus dem jeder Krieg geboren wird2. Damit fehlt ihnen der entscheidende Schlüssel zur Interpretation des Krieges.

 

Man kann nach wenigen Sätzen sofort erkennen, dass der mikrofonhabende Journalist nicht eine Zeile von Carl von Clausewitz gelesen hat, dass er sich niemals die Frage gestellt hat, welche Klassen führen den Krieg und welchen Klassencharakter trägt er demzufolge? Auch können sich die bürgerlichen Schreiberlinge unter dem Begriff »Imperialismus« nichts vorstellen, ebenfalls nichts über das Wechselverhältnis von Vorgeschichte des Krieges und dem Verlauf nach seinem Ausbruch – das alles aber sind kardinale Gewichte in den Fragen des Krieges.

Uns Betrogenen bleibt zunächst nur der Weg, für die Darbietung dieses Schrotts vorerst keine Rundfunkgebühren mehr zu zahlen. Nicht nur gegen Russland müssen Sanktionen verhängt werden, sondern auch gegen die Verdummungssender ARD, ZDF … usw.

 

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs kursiert viel Bildmaterial im Netz. Doch nicht alle sind an dem Ort oder zu der Zeit aufgenommen, an dem das behauptet wird | Bild: YouTube
 
Aber auch die Linken, die formal auf Lenin und Stalin schwören, sind von dem Krieg überrascht worden. Sie hat sich blauäugig einer vordergründig objektiven Friedenslage in Europa anvertraut, als ob der listige Krieg unfähig geworden sei, einen heimlichen Aufmarsch zu planen. So heimlich war er dieses Mal gar nicht. Je mehr bürgerliche Politiker Sätze mit dem Wort »Frieden« in den Mund nehmen, desto intensiver müssen Marxisten-Leninisten die Sätze Lenins über den imperialistischen Krieg studieren. Der erste und der zweite Weltkrieg, Hiroshima und Nagasaki sprechen es doch deutlich aus, dass der Imperialismus besonders kriegsschwanger ist und dass man eher Vierlinge denn Drillinge erwarten darf, kurz: Die Kriegsdichte des Imperialismus verlangt eine ständige Weiterentwicklung der marxistisch-leninistischen Kriegstheorie. Dazu darf man aber nicht auf bürgerliches Friedensgeschwafel hereinfallen und seine laue Befassung mit der Kriegsfrage bereits für Marxismus-Leninismus ausgeben, während sie bei Licht betrachtet, nur Ausdruck pazifistischer Hohlheit à la Chruschtschow ist. Man ist kein Marxist-Leninist mehr, wenn man verlernt hat, Kriege richtig zu lesen. Alle Marxisten-Leninisten sind sich einig, dass die Weiterentwicklung der marxistisch-leninistischen Kriegstheorie wichtiger ist als die Weiterentwicklung der Lehre von der Denkweise.

Hitler fährt dann fort: Die Propaganda „wird zu keinem Erfolg führen, wenn nicht ein fundamentaler Grundsatz immer gleich scharf berücksichtigt wird. Sie hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen“3. Fassen wir kurz die beiden Zitate zusammen: Bescheidender Anteil von wissenschaftlichen Aussagen, die zudem noch als Ballast bezeichnet werden, Emotionalität, Eindimensionalität, Wiederholung ein und derselben kurzen Schallplatte, ewig die gleiche Melodie abnudeln.  Hatten Marx und Engels im 19. Jahrhundert nur vom Idiotismus des Landlebens gesprochen, so ist im Imperialismus der Idiotismus, der sich daraus ergibt, dass der Produktionsprozess die Produzenten beherrscht, zur allgemeinen Grundlage einer Troglodytenkultur geworden. Je primitiver, desto besser – das ist die reifste Frucht der bürgerlichen Aufklärung.

Wie konnte es zu dieser Ausbreitung der Verflachung kommen, nicht bei einzelnen, sondern es sind ja Millionen und Abermillionen, die auf Primitives anspringen. Einen ersten Hinweis finden wir im Manifest: Der Arbeiter „wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird“4. Hier haben wir sozusagen die Basis der physischen und psychischen Verkrüppelung der Arbeiter vor uns, hier liegt eine idiotische Eindimensionalität bzw. ein eindimensionaler Idiotismus vor, der Arbeiter arbeitet sich durch „seine“ Arbeit krank. Kein legales Wirtschaftssystem der Neuzeit wütet mehr unter der Volksgesundheit als die soziale Marktwirtschaft. Die Quelle für die Verrohung ist der kapitalistische Produktionsprozess, in dem kreatives Potential abgetötet und der Arbeiter Pauper, Woyzeck wird. Die Arbeit im kapitalistischen Produktionsprozess wird wie die Pest geflohen, aber acht Stunden netto wird der Arbeiter verpestet, seine Kreativität in ihn selbst zurückgestaucht, um in seinem Inneren zur rasenden Selbstzerstörung nach allen Richtungen auszugreifen. Es werden eindimensionale Menschen produziert. Ja noch mehr: „Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so weit beendigt, dass er seinen Arbeitslohn ausgezahlt erhält, so fallen die anderen Teile der Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, der Krämer, der Pfandleiher usw.“5. Der Proletarier lebt in einem Milieu der sozialen Unterdrückung durch und durch, in einem Milieu der Ohnmacht. Zudem wird er von morgens bis abends von ekelhafter Warenwerbung berieselt, die folgendermaßen vorgeht: Bescheidender Anteil von wissenschaftlichen Aussagen, die zudem noch als Ballast bezeichnet werden, Emotionalität, Eindimensionalität, Wiederholung ein und derselben kurzen Schallplatte, ewig die gleiche Melodie abnudeln. Es soll sich etwas ganz Bestimmtes einprägen. Wir werden Zeugen eines durch Massenmedien hervorgebrachten Idiotismus.

Der Arbeiter, der in einer kulturellen Wüste dahinvegetiert, der interessiert sich aus einer totalen Leere heraus, in seiner Ohnmacht, in seiner Depression, in seinem Burnout, mit seiner Verletzung vom Arbeitsplatz, auch Mobbing, abends nicht mehr für Politik – und die Gaukler des Krieges haben leichtes Spiel. Alles wird auf ganz einfache, greifbare Sprüche reduziert. War der Spruch: »Die Juden sind an allem schuld« in der Nazi-Zeit die Eintrittskarte für den Zutritt zu höheren braunen Kreisen, so ist heute der Spruch: »Putin ist der Aggressor« die Eintrittskarte für die Teilnahme an der Münchener Sicherheitskonferenz.

Es gibt in Deutschland eine maoistische Sekte, die behauptet, in der Wüste des Imperialismus gäbe es statt totaler Leere einige Oasen der Lehre von der Denkweise, in denen die Arbeiter auftanken, eine proletarische Denkweise kultivieren könnten, und zwar aus sich selbst heraus. In diesen Oasen finde nun die Verschmelzung zwischen maoistischer Avantgarde und Denkweisenproletariern statt, vor denen die kleinbürgerlichen 68er zurückschreckten.  Ein doppelter Fehler liegt vor: 1.) spricht Lenin im »Linken Radikalismus« davon, dass die Avantgarde sich nur bis zu einem gewissen Grad mit den Massen verschmelzen dürfe und 2.) gibt Lenin in »Was tun?« Kautsky ausdrücklich Recht, dass der wissenschaftliche Sozialismus den Arbeitern trotz wechselseitigen Lernprozesses nur von außen gebracht werden kann. Die Lehre von der Denkweise gibt die Denkweise einer sich selbst überschätzenden Arbeiteraristokratie wieder.

1 Adolf Hitler, Mein Kampf, München, 1938,198
2 Vergleiche Lenin, Notizen zur Frage der Aufgaben unserer Delegation im Haag, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag, Berlin, 1956,296
3 Adolf Hitler, Mein Kampf, München, 1938,202
4 Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,468f.
5 a.a.O.,469

Erstveröffentlichung am 11.04.2022 in ROTER MORGEN
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