WENN DER FEIND UNS BEKÄMPFT, IST DAS GUT UND NICHT SCHLECHT!

Urlaubszeit, Krankheit und Auseinandersetzungen mit meiner Krankenkasse, aber auch mit der Krankenkasse der eigenen 90jährigen Mutter, ließ mich den Todestag von Ernst Aust vergessen. Erst durch den nachfolgenden Auszug aus dem theoretischen Organ der KPD/ML, den ARBEIT ZUKUNFT MAGDEBURG abgedruckt hatte, wurde mir mein Versäumnis bewusst. Ich übernehme die Abschrift gerne und stelle sie nachfolgend zur Verfügung.

Aus: „Der Weg der Partei, Nr.2/74“

WENN DER FEIND UNS BEKÄMPFT, IST DAS GUT UND NICHT SCHLECHT!
(Lebenslauf des Genossen Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML)

Wenn er uns in schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten lässt, so zeigt das nur, dass wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Immer schon hat die herrschende Klasse, haben die Kapitalisten und ihre reformistischen und revisionistischen Handlanger die wahren Marxisten-Leninisten, die echten Revolutionäre, aufs schärfste bekämpft, sie verfolgt und verleumdet. So geht es auch heute unserer Partei, der KPD/ML, so geht es ihrem Vorsitzenden, dem Genossen Ernst Aust: Rund 20 Ermittlungsverfahren während der letzten 20 Jahre. Angefangen vom Verdacht des Hochverrats über Staatsgefährdung bis zum Verstoß gegen das KPD-Verbotsurteil. Eine 236 Seiten umfassende Anklageschrift 1963. Verurteilung. 10 Jahre später: Neue Ermittlungen, neue Verfahren, neue Anklagen. Der Tenor ist der gleiche. Die Bourgeoisie weiß, wen sie bekämpfen muss. Das aber wissen auch ihre Agenten im Lager der Arbeiterklasse, die modernen Revisionisten: „Verräter“, ,,Spielball des Verfassungsschutzes“, „700 000 DM von China erhalten“ usw. usf.. Dort wo man keine Argumente hat, wo man ideologisch nicht kämpfen kann, müssen Lügen und Verleumdungen herhalten. Beschämend ist nur, daß Leute, die sich Marxisten-Leninisten, die sich Kommunisten nennen, heute in das gleiche Hörn stoßen: ,,Watte im Kopf und Schaum vorm Mund“, „Agent des Verfassungsschutzes“. Das hat noch nicht einmal die D„K“P zu sagen gewagt. „Parteigelder unterschlagen“. „Wohnt in eigener Villa.“ „Fährt Luxuswagen.“ „Erhält Geld von Albanien.“ „Von Beruf Schauspieler“ usw. usf. Zur Klarstellung: Alles Lüge! Weder erhält die KPD/ML noch ihr Vorsitzender von irgendeiner Seite Geld. Sie finanziert sich aus eigenen Mitteln. 8 Prozent Mitgliedsbeitrag und Spenden von Mitgliedern und Sympathisanten. Ernst Aust wohnt seit 1961 in einer 2 Zimmer-Wohnung, sozialer Wohnungsbau, nachdem er vorher 10 Jahre als Untermieter auf einem Zimmer gewohnt hatte. Er besitzt weder einen Wagen noch ist er anders eingerichtet als jeder Arbeiter auch. Agent des Verfassungsschutzes? Seit wann stellt die Bourgeoisie ihre Agenten vor Gericht? Ihre Lügen und Verleumdungen qualifizieren sie als das, was sie sind: Agenten im Lager der Arbeiterklasse. Für die vielen neuen Genossen und Sympathisanten aber kurz der Lebenslauf unseres Vorsitzenden, des Genossen Ernst Aust. Man schreibt das Jahr 1923. Hunger, Teuerung, Inflation. Da wird am 12. April im Arbeiterstadtteil Eimsbüttel, Eidelstedterweg, Ernst Aust geboren. Sein Kinderwagen kostet 40 000 Mark. Ein halbes Jahr später hätte er schon 4 Billionen Mark gekostet. Ein halbes Jahr später findet der Hamburger Aufstand statt, kämpfen Hamburgs Arbeiter auf den Barrikaden gegen das Kapital, seine Polizei und seine Armee. Ernst ist letztes von vier Kindern. Sein Vater, ein armer Kleinbauernjunge, muss mit acht Jahren das Haus verlassen und arbeiten. Verdingt sich bei einem Bader, der nebenbei Landwirtschaft betreibt. Im wehrpflichtigen Alter wird er eingezogen. Hier ist er zum ersten Mal nicht mehr und nicht weniger unterdrückt als andere. Er verpflichtet sich auf 12 Jahre. 1912 Entlassung. Hochbahnangestellter in Hamburg. Weltkrieg. Ende. Wird zum Soldatenrat gewählt. Rückkehr. Wird kleiner Beamter. Bleibt es bis zum Lebensende. Mutter: Stammt ebenfalls vom Lande. Haushaltsgehilfin. Weißnäherin. Heirat. Verwandtschaft: Onkel Schuhmacher, links. Großvater der „rote Bäcker“, Teilnehmer am Matrosenaufstand 1918. Später Bäcker in Hamburg-Altona, Kellerwohnung. Gaslicht. Links bis zum Tod. Proletariat, Halbproletariat. In dieser Umgebung wächst Ernst auf. Kind unter Proletarierkindern. Kindheitserinnerungen: Rote Fahnen, Straßenschlachten, Teddy (Ernst Thälmann), Schalmeienkapellen, Polizei-Überfallkommandos.

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1933. Machtübernahme durch die Nazis. Ernst ist 10 Jahre alt. Seine Eltern verziehen nach Ahrensburg, einem Vorort Hamburgs. Sein Vater, Untertan der jeweiligen Regierung, wählt vor 1933 die SPD, jetzt die NSDAP. Ernst kommt auf die Oberschule. Hier erfährt er, was es heißt, armer Leute Kind, Siedlungskind zu sein. Die Kinder der Reichen, der Ortsansässigen werden bevorzugt. Er setzt sich durch. Zur Not auch mit seinen Fäusten. Die ideologische und politische Beeinflussung der Jugend ist vollkommen. An der Schule bestimmen Nazipauker. Presse, Film, Rundfunk, Literatur sind gleichgeschaltet. Jungvolk und Hitlerjugend erfassen alle Bereiche des Jugendlebens, der Jugenderziehung. Die Hitlerjugend wird Staatsjugend, Pflicht-HJ. Die Kommunisten sitzen in den KZ’s. Bei eventueller Entlassung müssen sie unterschreiben, nichts von den dort herrschenden Zuständen zu erzählen. Es ist äußerst gefährlich geworden, sich antifaschistisch zu äußern. Man spricht nur zu engsten Freunden und Bekannten. Schon gar nicht zu Kindern.

1939. Ernst muß — trotz Schulgeldermäßigung — die Schule verlassen. Das Geld reicht nicht. Er will Maurer oder Zimmermann werden. Lehrstellen sind knapp. Die nächste in Bergedorf, 40 km Bahnfahrt. Der Vater entscheidet: Du wirst Bankkaufmann. Erstens kenne ich da jemanden, zweitens erhält ein Banklehrling im ersten Lehrjahr 33, im zweiten 52 und im dritten 84 Mark, da brauchst du kein Taschengeld und kannst noch was abgeben. Ein Maurerlehrling erhält nur 10, 20, 30 Mark. Ernst gibt nach. Während der Lehrzeit erste oppositionelle Regungen. Antiautoritär. Man legt sich mit der HJ an. Lässt sich im Gegensatz zu ihr längere Haare wachsen (nicht so lang wie heute). Spielt amerikanische Platten. Louis Armstrong usw., was verboten ist. Gründet Clubs. Die Nazis machen dem ein Ende. Musterungsbefehl. Da „nordisch“, will man ihn zur Waffen-SS anheuern. Musterung in SS-Kaserne in Hamburg-Langenhorn. Ernst baut vor und meldet sich 1941 zu den Fallschirmjägern. Dadurch erhält er ein halbes Jahr Lehrzeit geschenkt. Der Krieg wird zum entscheidenden Erlebnis. Nach vierteljähriger Grund- und Sprungausbildung an die Front. Afrika, Italien, Sowjetunion, Frankreich. Trommelfeuer, Tieffliegerangriffe, Nahkampf, sterbende Kameraden: Deutsche, Engländer, Russen, Italiener, Amerikaner. Warum? Oktober 1944 in britische Gefangenschaft. In den Lagern geben die Nazis den Ton an. Alliierte dulden es. Erste Konflikte. Erste Reaktion auf den Krieg: Pazifist. Doch hier taucht das erste mal die Eigenschaft bei ihm auf, nicht stehenzubleiben, sondern den Dingen auf den Grund zu gehen. Wo liegen die Ursachen der Kriege? Warum schießen deutsche, französische, britische Arbeiter, die doch die gleichen Interessen haben, aufeinander? Er kommt in ein Arbeitslager, working camp. Arbeitet ab 1945 als bricklayer (Maurer), painter (Maler) u. a. Hier lernt er den ersten Kommunisten kennen. KJVD-ler. Kommt aus dem Strafbataillon 999. Man beschließt Selbststudium. Marx und Engels gibt es in der Lagerbücherei, Lenin, Stalin nicht. Man entfaltet kommunistische Agitation und Propaganda. Ernst nimmt Verbindung zu britischen Kommunisten auf. Der britische Geheimdienst wird aufmerksam. Verhöre, Strafversetzung. In diese Zeit fallen die ersten schriftstellerischen Arbeiten von Ernst, Gedichte, Erzählungen. Mitarbeit an der Lagerzeitung, in der Laienspielgruppe. 1948 Entlassung aus der Gefangenschaft.

Zurückgekehrt tritt er in den ,,Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, einer kommunistischen Massenorganisation ein. Betreut die FDJ kulturell und nimmt an ihren Aktionen teil. Arbeitet als Angestellter und vervollständigt sein Wissen durch Studium von Literatur und Theaterwissenschaft. 1951 holt ihn die Partei — nunmehr als Mitglied der KPD — in die Redaktion der „Hamburger Volkszeitung“. Bald schreibt er für alle Ressorts: Kultur, Politik, Lokales, Parteileben. Wie jeder Genosse studiert er in seiner Grundeinheit die Geschichte der KPdSU. 1953 übernimmt er im Parteiauftrag die aus der Bewegung zur Befreiung Helgolands entstandene Küstenzeitschrift „Dat Blinkfüer“. Bald ist er auf allen Seefischmärkten, in allen Fischereihäfen der Nord- und Ostseeküste zu Haus. In Fischerkneipen, auf ihren Kuttern diskutiert Ernst mit den Fischern, die ihre Absatzmärkte im Osten verloren haben und sich in einer Krise befinden, über die Ziele der „Nationalen Front“, der das „Blinkfüer“ unterstellt ist. Bald ist „Dat Blinkfüer“, das damals im DIN A-4-Format monatlich erscheint, in allen Fischereihäfen bekannt. Die Fischer verteilen es in ihren Genossenschaften und hängen es in ihren Anschlagkästen aus.

Ernst arbeitet während dieser Zeit unter der Anleitung eines älteren Genossen, Albert 0. aus Lübeck. Ein alter Bolschewik mit großen Kampferfahrungen. Er vermittelt seine Erfahrungen dem jungen Genossen. So lernt Ernst von ihm: Bevor man ein Problem aufgreift, eine Sache in Angriff nimmt, zu handeln beginnt, es erst von allen Seiten zu beleuchten, um die richtigen Maßnahmen treffen zu können. Von ihm lernt er, was es heißt, revolutionäre Geduld zu haben. Von ihm lernt er bolschewistische Standhaftigkeit. Seine Meinung im Rahmen des demokratischen Zentralismus zu sagen. So wenden sich Albert und er gegen den Beschluss des Parteivorstandes, nach dem Mitglieder der KPD zur Bundestagswahl 1957 aufgefordert werden, der SPD ihre Stimme zu geben, der Partei also, die entscheidend an der Wiedererrichtung des westdeutschen Imperialismus und dem Verbot der KPD mitgewirkt hatte. Die Engländer haben statt Helgoland den Großen Knechtsand, eine Sandbank vor der Nordseeküste, als Ersatzbombenziel gewählt. Fast täglich fallen hier die Bomben und hindern die Fischer am Auslaufen. Die Partei bemüht sich hier, ähnlich wie bei Helgoland, eine Protestbewegung zu entfalten. Da erfährt Ernst, daß während der Bombardierungen auf dem Knechtsand Tausende dort mausernde, flugunfähige Brandgänse sterben. Daran anknüpfend

initiiert er eine Massenbewegung, die innerhalb kurzer Zeit durch kooperativen Beitritt von Jugendverbänden wie den Naturfreunden, Tierschutzverbänden u.a. rund 2 1/2 Millionen Mitglieder umfaßt und durch die Besetzung des Knechtsandes die Einstellung der Bombardierung erzwingt. Dabei hält er sich persönlich im Hintergrund, so daß es dem Verfassungsschutz trotz aller Bemühungen nicht gelingt dahinterzukommen, wer der Initiator dieser gegen den westdeutschen und britischen Imperialismus gerichteten Bewegung ist.

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Der XX. Parteitag der KPdSU 1956 hat zur Folge, dass er, wie in der DDR, der Harichgruppe, den offen auftretenden Revisionisten in der KPD, grünes Licht gibt. Dieser Gegner ist leicht auszumachen. Er wird von den bolschewistischen Kräften in der KPD bekämpft. Dabei aber übersehen sie, wie auch Ernst, daß die damals noch verschleiert operierenden revisionistischen Kräfte im Parteivorstand die Partei bereits auf den Kurs des Verräters Chruschtschow bringen. Die Dokumente des XX. Parteitages werden in der Partei infolge des Verbotsprozesses gar nicht oder nur ungenügend diskutiert. Es findet kein ideologischer Kampf statt. Das Verbot selbst zeigt, wie wenig die Partei damals bolschewisiert ist. Wie wenig sie auf den Wechsel von Legalität auf Illegalität vorbereitet, auf die korrekte Verbindung der illegalen mit der legalen Arbeit eingestellt ist. Im Gegensatz zum vorher praktizierten Legalismus verfällt die Partei jetzt in tiefste Illegalität, in eine Illegalität, die so tief ist, dass die Partei praktisch für drei Jahre zu existieren aufhört. Der Parteivorstand und die ersten Sekretäre der Landesverbände setzen sich nach Ostberlin ab. Die Grundeinheiten der Partei lösen sich auf. Dort, wo es noch zu Aktionen kommt, erfolgen sie allein auf die Initiative einzelner Genossen an der Basis.

In dieser Situation war es der Genosse Ernst, der darum kämpfte, auch unter illegalen Bedingungen der Partei legale Möglichkeiten der Agitation und Propaganda zu schaffen. Statt der liquidatorischen geforderten Einstellung des „Blinkfüers“ baut er es weiter aus. Zuerst, indem er den Kreis der Angesprochenen von den Fischern auf die Bauern erweitert. Als dann Hamburger Arbeiter zu ihm kommen und sagen: „Hör mal, Bauern und Fischer, schön und gut, aber warum haben wir keine solche Zeitung?“ setzt er 1958 eine weitere Veränderung mit dem Ziel der Schaffung einer revolutionären Arbeiterzeitung mit zuerst 14-tägiger Erscheinungsweise im Berliner Format durch. Schon die dritte Ausgabe, die eine Enthüllung über einen Geheimbunker der Regierung in der Eifel enthält, wird beschlagnahmt. Das und die zahlreichen Ermittlungsverfahren, die er erhält, können ihn nicht schrecken. Das „Blinkfüer“ wird zur Wochenzeitung, die in Norddeutschland eine Auflage von 36 000 erreicht und an 600 Kiosken verkauft wird. Das „Blinkfüer“ wurde zum Muster für weitere legale Organe der Partei in den anderen Bundesländern, die aber nie seine Popularität erreichen.

Worauf beruhte die Poluparität von „Blinkfüer“? Sie beruhte auf der revolutionären Grundhaltung des Genossen Ernst, seiner Liebe zum Volk, seiner Verbundenheit mit seiner Klasse und den werktätigen Massen sowie seinem proletarischen Hass auf die herrschende Klasse, die Imperialisten, die Monopolherren, die alten Nazis und Militaristen, die im Bonner Staat wieder zu Macht und Ansehen gelangt waren. Sie drückten sich im Inhalt und Stil dieser Arbeiterzeitung aus.

Was das „Blinkfüer“ allerdings nicht war: Eine offene, korrekte, marxistisch-leninistische Zeitung. Dafür gibt es zwei Gründe: Einmal das bestehende KPD-Verbot, das eine offene Propagierung des Kommunismus unmöglich machte, zum anderen die zunehmende revisionistische Entartung der KPD, die auch im „Blinkfüer“ ihren Ausdruck fand. Dennoch spielte sich auch im „Blinkfüer“ verfolgbar der Kampf zweier Linien ab. Während die Parteiführung auf die Propagierung eines bürgerlich-pazifistischen Friedenskurses drängte, versuchte Ernst immer wieder konkret, die Klassenfrage zu stellen und mehr oder minder offen die KPD zu propagieren. Von den in der internationalen kommunistischen Bewegung seit den Moskauer Beratungen von 1957 und 1960 sich entwickelnden prinzipiellen Differenzen um die Generallinie, darum, ob z.B. die allgemeingültige Wahrheit des Marxismus-Leninismus, ob die allgemeine Bedeutung des Weges der Oktoberrevolution anerkannt werden oder nicht, erfahren die KPD-Genossen an der Basis in Westdeutschland nichts. In der illegalen Parteipresse werden die Differenzen verschwiegen. Erst als Januar 1963, auf dem VI. Parteitag der SED, der Vertreter der chinesischen Bruderpartei unter wüsten Drohungen und Beschimpfungen von den SED-Delegierten niedergeschrien wird, kommt es zu ersten Diskussionen in der KPD. Kaum jemand aber ist sich über die ideologischen Hintergründe der Auseinandersetzungen im Klaren. Hier wirkt sich die seit dem Parteiverbot bewußt betriebene Einstellung der Schulung der Klassikertexte des Marxismus-Leninismus (z.B. der Geschichte der KPdSU) aus. Die Schulung wird nur anhand der Parteimaterialien durchgeführt und eben die sind revisionistisch. So fällt es den Genossen schwer, sich ein eigenes Urteil über die bestehenden Differenzen zu bilden. Hinzu kommen die völlige Liquidierung des demokratischen Zentralismus und des Prinzips von Kritik und Selbstkritik in der Partei. Sie wird mit den Bedingungen der Illegalität begründet. Die wenigen Genossen, die eine prinzipielle Kritik an der Linie der Partei wagen, werden sofort ausgeschlossen, isoliert und als Agenten des Verfassungsschutzes diffamiert.

Das Jahr 1963 wird für den Genossen Ernst der Ausgangspunkt für seinen Kampf gegen die Entartung der Partei, gegen den modernen Revisionismus. Anfang Juni nimmt er als ,,Delegierter“ an dem im Harz in der DDR stattfindenden Parteitag der KPD teil. Hier erlebt er die totale Manipulation, das Abwürgen jeder Kritik. Kein Delegierter ist gewählt Die Diskussionsbeiträge der Genossen müssen samt und sonders wörtlich von der Parteileitung genehmigt werden. Sie werden zum größten Teil von den ZK-Mitgliedern verfasst und den Delegierten als eigener Beitrag zum Vorlesen übergeben.

Im Sommer des Jahres besucht Ernst als Teilnehmer einer Parteidelegation zum ersten Mal die Sowjetunion. Die Eindrücke sind zwiespältig. Einerseits ist er beeindruckt von dem großartigen industriellen Aufbau, das Kraftwerk von Bratsk, das Röhrenwerk von Tscheljabinsk, die Gastfreundschaft der sowjetischen Werktätigen, andererseits bemerkt er aber auch Dinge, die mit seiner Vorstellung vom Sozialismus nicht übereinstimmen: Ein Bettler vor dem Hotel in Irkutsk, der „freie Markt“ in Leningrad, der krasse Unterschied im Lebensstandard der Fabrikdirektoren und der Werktätigen, die offenkundige Korruption und Schieberei. Es ist die Zeit, wo die alten bolschewistischen, aus dem Proletariat stammenden Parteisekretäre abgelöst und durch Technokraten ersetzt werden. Bei einem Empfang im ZK der KPdSU erhalten die Delegationsteilnehmer zuerst einmal durch den „Genossen“ Panomajew eine Lektion über die

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Bösartigkeit der chinesischen Genossen, bevor er ihnen die Lage in Westdeutschland erklärt. Meinungsaustausch mit einer Bruderpartei? Nein, Befehlsempfang bei der Vaterpartei. Doch diese Eindrücke werden vorerst noch zurückgedrängt durch den Ende 1963 über den Zeitraum eines Vierteljahres stattfindenden Prozess wegen Verstoß gegen das KPD-Verbot, Staatsgefährdung und Verleumdung Entgegen der Empfehlung der Prozesskommission der Partei, er solle dem bürgerlichen Gericht gegenüber nicht zu hart auftreten: „Man sei ja eine Arbeiterzeitung, da könne es schon mal vorkommen, dass man etwas nicht Gesetzmäßiges geschrieben habe“, macht er den Prozess zum Tribunal gegen die Bourgeoisie. Mutig verteidigt er vor Gericht seine kommunistische Gesinnung. Die Partei ist gezwungen, dieser Linie zu folgen. Der Prozess erregt weltweite Aufmerksamkeit. Breit ist die Front der Solidarität. In der Presse der Staaten des Warschauer Paktes wird er als Held, als unbeugsamer Friedenskämpfer gefeiert. In Hamburg gehen 5 000 Arbeiter auf die Straße. Ihr Kampf und die breite Solidarität auch liberaler bürgerlicher Kreise tragen dazu bei, dass von der Anklage neun Zehntel fallengelassen werden und er wegen des Restes eine Gefängnisstrafe von einem Jahr erhält. Anfang 1965 verbringt Ernst auf Einladung des polnischen Journalistenverbandes seinen Urlaub in Bad Krynitza. Hier ist die revisionistische Entartung schon so krass, dass sich das Leben in diesem Kurort der polnischen Bourgeoisie kaum noch von dem eines x-beliebigen im Westen unterscheidet. Kaum ein Werktätiger, hier sind sie unter sich, die neuen polnischen Herren. Französischer Sekt, 600 Zloty, fast das Monatsgehalt eines polnischen Arbeiters, fließt in Strömen zu den Klängen auf westlich getrimmter Bands. Von da ab lehnt Ernst jede Einladung zu einem Urlaub nach „drüben“ ab. Im Herbst 1965, kurz vor der Bundestagswahl, erhält Ernst die Aufforderung zum Strafantritt. Bis dahin war es üblich gewesen, dass die Genossen sich zum Strafantritt im Gefängnis meldeten. Ernst sagt, bin ich denn noch zu retten, auch noch Fahrgeld nach Fuhlsbüttel auszugeben! Er schrieb im „Blinkfüer“, wenn sie etwas von ihm wollten, dann sollten sie ihn gefälligst holen. Der Hamburger Senat setzte die Strafe zur Bewährung aus.

1965 erscheint „Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“ in deutscher Sprache. Die Lektüre dieses von den chinesischen Genossen herausgegebenen Werkes gibt ihm den entscheidenden Anstoß für die Entfaltung des aktiven Kampfes gegen den modernen Revisionismus in der Partei. Immer offener nimmt er in persönlichen Gesprächen mit Genossen Partei für die korrekte revolutionäre Linie der Volksrepubliken China und Albanien. Genossen fragen heute manchmal, warum wurde der ideologische Kampf in der KPD nicht schon früher entfaltet, wie z.B. in Belgien und Österreich? Die Hauptursache dafür lag im mangelnden ideologischen Niveau in der Partei, verbunden mit den illegalen Bedingungen, der mangelnden Informiertheit der westdeutschen Genossen über die bestehenden Differenzen, der nicht bestehende demokratische Zentralismus, Informationen, die den belgischen, schweizer, französischen Genossen schon früher zugänglich waren, gelangten erst verspätet in die Bundesrepublik und in die Partei.

Ernst Aust und Enver Hoxha

Die Jahre 1966/67 bringen die Entscheidung. Immer offener wendet sich Ernst jetzt gegen den antimarxistischen, antichinesischen Kurs der Revisionisten in der Partei und im „Blinkfüer“. Die Auseinandersetzungen entzünden sich zuerst an der Frage, warum die Auflage der Zeitung ständig sinkt. Ernst vertritt die Meinung, dass zunehmend seit 1963 der revolutionäre Stil der Zeitung verlorengegangen, dass sie zu einem pazifistischen Friedensblättchen entartet sei. Er wirft der Hamburger Parteileitung vor, dass sie, um gut dazustehen, den Auflagenschwund gegenüber der Zentrale verheimlicht. Er kämpft gegen die revisionistische Entartung, weigert sich, antichinesische Artikel zu schreiben und lehnt die Veröffentlichung solcher im „Blinkfüer“ ab. Als er damit nicht durchkommt, legt er im Sommer 1966 die Chefredaktion der Zeitung nieder und scheidet aus dem „Blinkfüer“ aus. Doch noch ist er Verleger, die Zeitung ist auf seinen Namen geschrieben. Da erscheint im Dezember 1966 eine antichinesische Beilage zum „Blinkfüer“, in der man seinen Namen als Verleger missbraucht. Ernst wirft ihnen den Verlag vor die Füße. In einem Vertrag, in dem er den Verlag plus minus null an die Partei übergibt, baut diese, wohl in Vorahnung des Kommenden, eine Klausel ein, nach der er sich verpflichten muss, in den nächsten drei Jahren keine ähnliche Zeitung im Verbreitungsgebiet des „Blinkfüer“ herauszugeben. Nun ähnlich wird die Zeitung bestimmt nicht sein. Die Partei weiß um die Popularität des Genossen Ernst, sie kennt seine agitatorischen und propagandistischen Fähigkeiten und möchte ihn nicht verlieren. Als er in seiner Parteizelle offen gegen den revisionistischen Kurs der Partei auftritt, isoliert man ihn dort. Aber noch ist er Funktionär der Partei und untersteht direkt der Anleitung durch den Parteivorstand.

Im Juni 1967 übernimmt er für einen Genossen, dem ein Prozess bevorsteht, kurzfristig im Parteiauftrag die Leitung der in Hannover erscheinenden Zeitung ,,Heute“. Hier blockt er offen jeden antichinesischen Artikel ab und agitiert die Genossen. In dieser Zeit sammelt er in der Partei die marxistisch-leninistischen Kräfte. Die Partei unternimmt einen letzten Bestechungsversuch. Um ihn von seiner Basis in Hamburg zu trennen, bietet sie ihmfür ein hohes Gehalt die Mitarbeit an der „Bonner Korrespondenz“ an. Er soll sie zusammen mit dem Erzrevisionist und Salemschüler Polikeit herausgeben. Er lehnt ab. Stattdessen erscheint, zuerst illegal, unter seiner Anleitung im Juni 1967 der erste ROTE MORGEN. Die Partei gerät in helle Aufregung. Seine letzten zwei Gehälter als Funktionär der KPD verwendet er für die Anschaffung der Druckmaschine des ROTEN MORGEN und Porto. Im Oktober legt er in einem Brief an den Parteivorstand alle Funktionen nieder und wendet sich kurz darauf in einem Offenen Brief an alle

Genossen der Partei und Blinkfüerleser und fordert sie auf, mit dem revisionistischen Kurs der Partei zu brechen. Genossen aus anderen Organisationen haben Ernst vorgeworfen, dass er im „Blinkfüer“ früher auch revisionistische Artikel geschrieben und zu lange mit der Trennung gewartet habe.

Ernst sagte dazu:
„Das stimmt. Aber nicht ich bestimmte den Kurs der Partei, sondern das Zentralkomitee, der Parteivorstand, dem ich nicht angehörte. Solange ich Mitglied der KPD war, waren für mich ihre Beschlüsse bindend. Auch wenn ich persönlich anderer Meinung war, hatte ich sie durchzuführen. Erst nachdem ich im innerparteilichen Kampf gegen den modernen Revisionismus erkannte, dass

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die korrekte marxistisch-leninistische Linie nicht durchzusetzen war, vollzog ich den notwendigen Schritt der Trennung. Das war kein leichter Schritt. Schließlich wechselt man eine Partei nicht wie sein Hemd, zumal nicht eine, in die man unter der Voraussetzung eingetreten ist, für den Kommunismus, für die Beseitigung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu kämpfen. Was ich mir vorzuwerfen habe ist, dass ich über den täglichen Kampf, die tägliche Praxis, nicht ständig mein Wissen in der marxistisch-leninistischen Theorie vervollständigt habe, so dass ich in der Lage gewesen wäre, schon früher den Kampf gegen den revisionistischen Verrat in der Partei zu führen.“

Nach seinem Offenen Brief spuckte das „Blinkfüer“ Gift und Galle und schreibt, man habe sich von Ernst AUST trennen müssen, weil er aus der Zeitung ein Blatt der Kulturrevolution habe machen wollen. Das „Freie Volk“, Zentralorgan der KPD, sieht es anders. Zwar wagte man nicht zu behaupten, er sei Agent des Verfassungsschutzes geworden, das hätte ihnen kein Hamburger Genosse, keiner, der Ernst kannte, abgenommen. So begnügte man sich damit zu sagen, er sei zum „Spielball“ des Verfassungsschutzes geworden. Die übliche Masche, aber sie zieht nicht mehr. Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Die marxistisch-leninistischen Genossen der Bundesrepublik und Westberlins sammeln sich um den ROTEN MORGEN. Sie nehmen Kurs auf die Gründung einer marxistisch-leninistischen Partei, die das revolutionäre Erbe der alten KPD fortsetzt. Die Gründung dieser, unserer revolutionären Partei erfolgt am 50. Jahrestag der Gründung der KPD, am 30.12.1968.

Der Genosse Ernst ist bis heute geblieben; was er war: Ein mutiger, absolut unbestechlicher, seiner Klasse treu ergebener Revolutionär. Sofort nachdem er seine Funktion in der KPD niedergelegt hatte, ging er wieder in den Betrieb. Nachdem er kurze Zeit als Drucker und Kraftfahrer gearbeitet hat, arbeitet er in den letzten Jahren als Fräser in einem Chemiebetrieb. Jeder Karrierismus ist ihm fremd. So lehnte er jahrelang seine Freistellung ab, was sich allerdings als Schaden für die Partei erwies. Nach dem außerordentlichen Parteitag Ende 1971 wählte ihn die Partei zu ihrem Vorsitzenden.

Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht. Wenn heute, 10 Jahre nach seinem letzten Prozess, die Bourgeoisie den Genossen Ernst wieder vor die Schranken der bürgerlichen Klassenjustiz zerrt, so zeigt das nur, wen sie fürchtet. Nicht die Bachmann, die Reimann, sie sind zu treuen Dienern des bürgerlichen Staates, zu Renegaten, zu Verrätern am Kommunismus geworden. Sie fürchtet die Marxisten-Leninisten, die der Sache des Proletariats treu ergebenen Revolutionäre. Sie ist bereit, sie ihrer neuen Freundschaft mit den Zaren im Kreml zum Opfer zu bringen. Doch der Stein, den sie erhoben haben, wird auf ihre eigenen Füße fallen.

https://www.youtube.com/watch?v=dsngdMPMCLw

Ernst Aust 15 Jahre Roter Morgen Dortmund 1982, Auszüge

 

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Über Heinrich Schreiber 164 Artikel
Als inzwischen „Best Ager", ist die berufliche Vita schon etwas umfangreicher. Gelernter Photokaufmann, tätig als Werkzeug- und Kopierschleifer im Einzelakkord, aber auch viele Jahre als selbständig tätiger  Wirtschaftsberater waren Heinrich's beruflichen Herausforderungen. Bereits im Alter von 13 Jahren ist Heinrich mit Polizeigewalt bei einer Demonstration in der Kieler Innenstadt in Berührung gekommen. Hintergrund war der Schahbesuch 1967 in Berlin und die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch die Berliner Polizei. Das hat ihn sehr früh politisiert und seine zukünftigen Aktivitäten als Jugendvertreter und in der Gewerkschaftsjugend, in der Roten Garde Kiel/ML und später KPD/ML waren daraufhin logische Konsequenz. Heinrich ist Vater von vier erwachsenen Kindern und begleitet das politische Geschehen mit Berichten und Kommentaren aus marxistisch-leninistischer Sicht.

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