Der faschistische Putsch in Chile 1973

Eine Chronik der Ereignisse

 

  • 29. Juni 1973:
    Der erste Putschversuch der Militärs. Da sich der Befehlshaber des Heeres, General Prats, auf die Seite der verfassungsmäßigen Regierung stellte, wurde der Putsch niedergeschlagen.
  • Juli und August 1973:
    • Verunsicherung und psychologischer Druck auf die Bevölkerung und die Armee: Verfassungsklagen der Opposition, Überfälle auf Lebensmittel- und Materialtransporte
    • Aufruf zur Wirtschaftssabotage, von amerikanischem Kapital finanzierter Streik (Streikgelder höher als Löhne !) der Fuhrunternehmer.
    • Streik der Einzelhändler, Ärzte und des Flugpersonals (ihnen waren ungerechtfertigte Privilegien entzogen worden)
    • Eliminierung der loyalen Kräfte in der Armee: Ermordung Kapitän Araya; Mordanschlag auf General Prats, weitere Morde innnerhalb der Armee; Verurteilung von Marineoffizieren, die Putschpläne enthüllten, durch das Militärgericht.
    • bewaffnete Überfälle und Sprengstoffanschläge durch die Terrororganisation „Patria y Libertad“. Zwischen 23.Juli und 5.September wurden insgesamt 1015 Terroranschläge bekannt.
    • Razzien durch die Armee in Arbeitersiedlungen und staatlichen Betrieben, teilweise mit Schusswaffeneinsatz (Berufung auf das „Gesetz über Waffenkontrolle“)
    • Propagandafeldzug in den rechtsgerichteten Medien: angebliche Attentatspläne und bewaffnete Extremisten; Forderung an den Präsidenten, sich das Leben zu nehmen.
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  • 24. August:
    General Pinochet tritt als Oberbefehlshaber des Heeres an die Stelle von General Prats. Bereits vorher wurde der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, General Ruiz, durch General Leigh abgelöst.
  • 4. September:
    Kleinhändler beginnen einen unbegrenzten Streik; öffentliche Verkehrsmittel sind zum großen Teil außer Betrieb; es herrscht Benzinmangel. Der langandauernde Streik der Fuhrunternehmer führt in vielen Bereichen der Industrie zur Einstellung der Produktion.
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  • 11. September 1973:

4:30 Uhr
Besetzung aller strategisch wichtigen Punkte in den beiden großen Hafenstädten Valparaiso und Concepcion durch Marine und Luftwaffe (Postämter, Verwaltungen, Universitäten, Parteibüros, Druckereien, Rundfunkstationen, Betriebe, Brücken).
Unterbrechung des Telefonverkehrs zur Hauptstadt Santiago.
Verhaftung aller linken Funktionäre, die „gefährlichsten“ werden sofort erschossen.

7:30 Uhr
Präsident Allende trifft mit Leibwache in der „Moneda“ ein. Davor wartet bereits ein Heer von Journalisten auf die kommenden Ereignisse.

8:00 Uhr
Rechtsgerichtete Rundfunksender übertragen eine „Proklamation der Militärregierung“. Diese beinhaltet die Amtsenthebung des Präsidenten und die Ausrufung des Kriegsrechtes.

8:30 Uhr
Umstellung des Regierungssitzes „Moneda“ durch Panzereinheiten. Aufforderung an alle Radiosender, eigene Programme einzustellen. Aufforderung an die Bevölkerung, zu Hause zu bleiben. Aufforderung an den Präsidenten, sich zu ergeben.
Präsident Allende erklärt über Radio „Portales“, dass er nicht zurücktreten und das ihm übertragene Amt verteidigen werde.

9:00 Uhr
Radio „Portales“ wird durch einen Bombenangriff ausgeschaltet. Die Militärs melden die Einstellung aller nicht von ihnen kontrollierten Radiosendungen.
Entgegen dieser Behauptung sendet Radio „Magellanes“ noch und ermöglicht die Übertragung der Letzten Rede von Präsident Allende.

Das Nationalstadion von Santiago füllt sich imme mehr mit Gefangenen der faschistischen Staatsmacht

9:30 Uhr
Ultimatum der Militärs, den Palast der Moneda bis 11:00 Uhr zu räumen; ansonsten erfolgen Luftangriffe. Verbot an alle Arbeiter, ihre Betriebe zu verlassen. Bei Zuwiderhandlung droht sofortige Erschießung. Hubschrauber kreisen über der Stadt und kontrollieren alle Bewegungen. Strategisch wichtige Institutionen der Hauptstadt werden militärisch angegriffen und – teilweise nach erbitterter Gegenwehr – besetzt. Dieses sind: alle Großbetriebe, Technische Universität, Banken, Parteibüros, Zeitungen, Ministerien und Behörden. Im Nationalstadion von Santiago wird ein Konzentrationslager eingerichtet.

10:30 Uhr
Präsident Allende lehnt das Angebot der Kapitulation und freien Ausreise ins Ausland ab. (Viele Jahre später wurden Tonbandprotokolle von Beratungen Pinochets bekannt, die belegen, daß auch im Falle der Kapitulation Allendes dessen Ermordung fest eingeplant war.)

10:45 Uhr
Einige Personen, darunter 2 Töchter Allendes, verlassen unbewaffnet die Moneda.

11:00 Uhr
Bombardierung des Präsidentenpalastes Moneda. Gleichzeitig wird auch der Wohnsitz von Allende angegriffen.

11:30 Uhr
Alle Reporter werden gezwungen, die Gegend um die Moneda zu verlassen. Es beginnen die Versuche, den Palast zu stürmen, von dort erfolgt heftige Gegenwehr.

12:00 Uhr
Anweisung einer totalen Ausgangssperre für die gesamte Stadt Santiago ab 15:00 Uhr bei Androhung der Erschießung für jede Zuwiderhandlung.

13:00 Uhr
In der „Universidad de Chile“ wird die Arbeit eingestellt.

14:00 Uhr
Einnahme der Moneda.

16:00 Uhr
Der Leichnam Präsident Allendes wird unter größten Sicherheitsvorkehrungen aus der Moneda geholt und mit einem Hubschrauber abtransportiert.

19:00 Uhr
Die Militärjunta, bestehend aus den 4 Befehlshabern der Waffengattungen, stellt sich im Fernsehen (Canal 13) vor. Die Befehlshaber der Marine (J. T. Merino) und der Carabineros (C. Mendoza) haben sich erst im Verlauf des Putsches selbst eingesetzt. Es werden Zustimmungserklärungen von Berufsverbänden verbreitet.

  • 12. September:
    Vollständige Ausgangssperre für die gesamte Provinz Santiago. Vestärkung des Terrors, der Hausdurchsuchungen und Erschießungen. Stürmung der kubanischen Botschaft, Verwundung des Botschafters und Ausweisung aller kubanischen Diplomaten. Veröffentlichung von Namenslisten gesuchter Personen, Beginn der Hetzjagd im ganzen Land. Berufung der neuen Minister (fast ausschließlich Militärangehörige).
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  • 13. September:
    Brasilien, Uruguay und Paraguay erkennen die Militärjunta diplomatisch an. Fortsetzung der Terrorwelle und der Verhaftungen. Etwa 7000 Personen, darunter auch Ausländer, befinden sich in dem im Nationalstadion eingerichteten KZ. Es erfolgen die ersten Deportationen auf die Inseln Quiriquina und Selkirk. Der Oberste Gerichtshof stellt sich hinter die Militärjunta. Der Kardinal von Santiago äußert Bedauern über die Ereignisse. Auflösung von Parlament und Senat, Verbot von Parteien und bestimmten Gewerkschaften.
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  • 14. September:
    Die Ausgangssperre wird tagsüber zu bestimmten Zeiten aufgehoben. Der Reihe nach werden in den Stadtvierteln alle Wohnungen durchsucht. Tag und Nacht sind Schüsse aus Gewehren und Maschinenpistolen zu hören. Schulen und Universitäten bleiben bis auf weiteres geschlossen.
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  • 24. September:
    Der weltbekannte Dichter und Nobelpreisträger Pablo Neruda stirbt in seinem von den Militärs völlig isolierten Haus in Chile, einen Tag vor der geplanten Ausreise der Familie ins mexikanische Exil. Noch am Vortag hatte der französiche Botschafter ihm im Namen der französischen Regierung den Orden der Ehrenlegion überreicht.

    Angeblich soll Pablo Meruda (Literaturnobelpreisträger und Mitglied der Kommunistischen Partei Chiles) an Prostatakrebs gestorben sein. 2017 kam ein Gremium aus internationalen Experten zu dem Schluss, dass Neruda nicht an Krebs starb. Es wurde ein Bakterium analysiert, das in Nerudas sterblichen Überresten gefunden wurde. Es handelte sich dabei um das tödliche Clostridium botulinum.

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  • 25. September:
    Trotz der Militärpräsenz versammeln sich Tausende, um Pablo Neruda die letzte Ehre zu erweisen. Sein Haus wurde inzwischen von den Militärs völlig verwüstet. In einem Bericht der französischen Sonderkorrespondentin heißt es:
    … Fensterscheiben zerschossen, das Bett zerstochen, Schränke zertrümmert und Zeitschriften und Bücher verbrannt. Nerudas Katafalk steht inmitten von Glasscherben, zerrissenen Fotos und zersplitterten Tonkrügen …
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  • 26. September:
    Ein großer Teil der in Chile befindlichen DDR-Bürger, darunter unsere Familie, verlässt das Land mit einem der ersten Flugzeuge, die auf dem Flughafen von Santiago de Chile nach dem Putsch wieder starten dürfen.
    Die Regierungen der USA und Israels erkennen die Putschisten offiziell an.
    In Chile werden alle bei freien Kommunalwahlen gewählten Bürgermeister und Gemeinderäte abgesetzt.
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  • 26.Januar 1974:
    Alle unter der vorherigen Regierung herausgegebenen Banknoten verlieren ihre Gültigkeit. Die Umtauschaktion wird mit der Tatsache begründet, dass sich schädliche politische Propaganda darauf befindet. Wer jetzt noch solches Geld besitzt, wird mit Gefängnis bedroht.

 

Die BRD sagte dem faschistischem Regime in Chile Unterstützung zu 

Herr Heinrich Gewandt (CDU), Bundestagsabgeordneter, Experte für Probleme der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern.
Nach dem Putsch versichert er sofort der Militärjunta, dass Chile für das BRD-Kapital nun wieder kreditwürdig werde.

Siebenseitiger Brief der chilenischen Tochtergesellschaft an die Farbwerke Hoechst AG:

Der so lang erwartete Eingriff der Militärs hat endlich stattgefunden … Säuberungsaktion ist immer noch im Gange… Wir sind der Ansicht, daß das Vorgehen der Militärs und der Polizei nicht intelligenter geplant und koordiniert werden konnte, und daß es sich um eine Aktion handelte, die bis ins letzte Detail vorbereitet war und glänzend ausgeführt wurde… Chile wird in Zukunft ein für Hoechster Produkte zunehmend interessanter Markt sein… Die Regierung Allende hat das Ende gefunden, das sie verdient…

Epilog

1976 wird ein früherer Botschafter der Allende-Regierung in den USA in Washington DC durch eine Autobombe umgebracht.

Bis zum Jahre 1978 galt in Chile der Belagerungszustand. Etwa 3200 politische Gegner des Regimes sind ermordet worden.

Erst 1987, also 14 Jahre später, wurde die Bildung von Parteien wieder zugelassen.

1989 wurden Teile der Verfassung aus der Zeit vor dem Putsch wieder in Kraft gesetzt.

1989 fand erstmals seit 16 Jahren wieder eine demokratische Wahl des Präsidenten statt.

1990 muß der Massenmörder General Augusto Pinochet den Präsidentenstuhl räumen. Vorher jedoch läßt er sich den Titel zuerkennen:

»Senator auf Lebenszeit«


… und der Epilog vom Epilog:

Am 17.10.1998 wird Pinochet während einer Europareise (Frankreich allerdings hatte ihm die Einreise verweigert) in London unter Hausarrest gestellt. Spanien und die Schweiz stellen Auslieferungsanträge.

Am 28.10.1998 entscheidet ein Londoner Gericht in erster Instanz, daß Pinochets Immunität unantastbar ist und hebt die spanischen Haftbefehle auf. Es folgt ein juristisches Hin und Her, Pinochet bleibt zunächst in Hausarrest.

Am 2. März 2000 lehnt der britische Außenminister endgültig seine Auslieferung wegen des „schlechten Gesundheitszustandes“ ab. Pinochet tritt noch am selben Tag als freier Mann die Heimreise nach Chile an.

Auch in Chile beginnt nun die Justiz langsam aktiv zu werden.
Am 8.8.2000 wird ihm die Immunität endgültig aberkannt.
Die eingeleiteten Verfahren werden jedoch bald aufgrund seines Gesundheitszustandes eingestellt.

Am 10.12.2006 stirbt Pinochet, ohne jemals für seine Verbrechen verurteilt worden zu sein.

 

Chile – 11. September 1973

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