Politik und Moral

Jean-Jacques Rousseau (Wegbegleiter der französischen Revolution) erkannte schon früh, dass der vermeintliche zivilisatorische Fortschritt mit zunehmender sozialer Ungleichheit verbunden war

Malochende Arbeitgeber werden als Arbeitnehmer ausgegeben und fremde Arbeitskraft einsteckende Arbeitnehmer als Arbeitgeber.

Klassenherrschaft ist perverse Sprachverzerrung eingebrannt. Die Perversion der Sprache spiegelt das verrückt sein der bürgerlichen Gesellschaft wider, „in der das Glück des einen das Elend des anderen schafft“ (Rousseau). Das ist eine Aussage, die erst im Kommunismus entwertet ist. Das hat Rousseau durchaus richtig gesehen, auch seine Einsicht von 1749, dass die Institutionen Menschen verderben, ist äußerst aufschlussreich, aber er irrte sich fundamental in seiner Wissenschaftskritik: Die Vervollkommnung der Wissenschaften macht die Menschen böse“. Wenn das stimmt, dann ist die Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus der falsche Weg und eventuell Romantik, Alkoholfusel oder Religion (geistiger Alkohol) der Ausweg.  Für Lenin war die Religion eine Art geistiger Fusel, mit dem der seine Arbeitskraft teilweise unentgeltlich hingebende Arbeitnehmer, der bei klarem, alkoholfreien  Verstand ein seine Arbeitskraft Hingebender ist, sein Sklavendasein betäubt.  

Fatal wird dieser ganze Zusammenhang, wenn der junge St. Just, der Chef der politischen Geheimpolizei Robespierre, in seiner Fragment gebliebenen Revolutionstheorie, mit ‘Institutions‘ überschrieben, ein äußerst wichtiges Dokument der französischen Revolution, gerade Institutionen benötigt, um das Werk der Revolution mit ihren Säuberungen zu vollenden und die Revolution sich somit in einem Teufelskreis aufhängt. Anarchie darf sich nicht konstituieren bzw. institutionalisieren. Es sind nach Rousseau ja gerade Institutionen, die die Resurrektion der Natur verhindern, ein Gut, das heute immer begehrter wird. Es sind nach St. Just gegenteilig gerade die Institutionen, durch die die Sonne der Revolution emporteigt, um ohne Unterlass zu scheinen. Diese Institutionen sollen das öffentliche Interesse an erster Stelle setzen, also den Citoyen über den Bourgeois, und kriminelle Leidenschaften ganz messerscharf ausmerzen, das heißt aber, die Jakobiner als Vertreter kleinbesitzender Bürger und Bauern konnten nicht den Rubikon überschreiten zum Ufer, ab dem das Jenseits des Privateigentums und das Ende von Kriminalität beginnt. Sie müssen daher versuchen, die Regierung zu moralisieren, wobei ihnen der Pädagogikkult der bürgerlichen Aufklärung entgegenkommt.  In diesen Zusammenhang ist der Satz des Asketen Robespierres gegen den Lebemann Danton zu werten:

‘Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat, du willst die Rösser der Revolution vor dem Bordell haltmachen lassen, sie werden Kraft genug haben, dich bis zur Guillotine zu fortzuschleifen‘.

Wenige Tage später fiel sein Kopf. Der Satz ist wirklich gefallen und zeigt den tiefen moralischen Grundzug des Jakobinismus an. Es versteht sich von selbst, dass die Rede Robespierres über die Prinzipien der politischen Moral zu den wichtigsten Reden der Revolution zu zählen ist. Sie enthält das Fundament der Herrschaft Robespierres.

Das war der Irrtum von allen dreien, Rousseau, Robespierre und St. Just, dass sie den Perversionsgrad des Politischen unterschätzten, während er bis heute der Gradmesser des Ultra-Perversen des Gegeneinander Handelns ist. Wenn Rousseau Recht hat, dass der Mensch von Natur aus gut ist und dass die Institutionen die Menschen verderben, dann ist der Berufspolitiker die größte, auszuradierende Canaille auf Erden. 

Politik kennt im imperialistischen Zeitalter keine Moral, mögen auch noch so viel Ethikkommissionen herumphilosophieren, meinetwegen auch im Geiste Rousseaus, dieser lehrte, dass derjenige, der Politik und Moral trenne, von beiden nichts verstehe.

Man kann keine bürgerliche Regierung moralisieren, sondern nur stürzen und in revolutionsgerichtliche Untersuchungshaft nehmen.

Aus dem Tod der Privateigentum-Politik erblüht erst zwischenmenschliches Miteinander und wahre kommunistische Moral. 

 

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Über Heinz Ahlreip 69 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

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