Aufstieg und Fall der deutschen Sozialdemokratie von 1870 – 1914

Der Marxismus-Leninismus beinhaltet die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst. Es war Engels, der die Notwendigkeit dieser allgemeinen Befreiung der Arbeit während seines ersten Manchesteraufenthaltes zwischen 1842 und 1844 entdeckte.

 

Von Heinz Ahlreip 18. September, 00:46 h | Im gleichen Zeitraum markiert Marx in einem im September 1843 verfassten Brief an Ruge, dass die Kommunisten der Welt aus ihren Prinzipien neue zu entwickeln haben. Sie treten dann der Welt eben nicht mit einem neuen Prinzip entgegen, sondern entwickeln zum Beispiel aus der kapitalistischen Großraumproduktion diese zur sozialistischen Planwirtschaft weiter wie aus der allgemeinen Wehrpflicht diese zur Volksbewaffnung. Der Kapitalismus trägt in sich den Keim des Sozialismus, der ihn als obsolet überführen wird. In diesem Brief stellt der junge Marx einmal mehr Deutschland als das klassische Land der Konterrevolution, als das mit Ausnahme der klassischen deutschen Philosophie schäbigste Land Europas dar. Es lag und liegt noch heute  in der deutschen Geschichte ein fataler Bumerang vor, der am 4. August 1914 ein ganzes Volk betäuben wird. Statt Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg Burgfrieden zwecks imperialistischer Massenabschlachtung.   Seit 1789 liegt das reaktionäre Deutschland  zwischen Russland, dessen Adel des Großgrundbesitzes der Hort der Reaktion Europas bildet und Frankreich, das das revolutionärste Proletariat Europas in sich birgt. Das bleibt gültig bis zum 1./2. September 1870, den Schlachttagen von Sedan. An diesen Tagen übernimmt das deutsche Proletariat die Staffel der roten Revolution vom französischen, hinzu kommt der Aderlass der Pariser Kommune im Blutmai 1871. In Deutschland wird die Sozialdemokratie eine rasch wachsende Parteimacht und man ist guter Dinge, was gesellschaftlichen Fortschritt und Revolution betrifft.  

Schon 1847 hatte Engels in den von ihm verfassten ‘Grundsätze des Kommunismus‘, eine Art Vorstudie zum Kommunistischen Manifest, Verschwörungen als schädlich bezeichnet. Schon während der bürgerlichen 48er Revolution war der Kerngedanke der proletarischen Revolution ein organisatorischer: PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH! Vor dem Manifest lautete die Parole: ‘Alle Menschen sind Brüder‘. Nach dem Eintritt von Marx und Engels in den ‘Bund der Kommunisten‘ im Jahr 1847 bleibt dieser ein geheimer, beide versuchen aber alles Verschwörerische so weit wie möglich in dem ersten den Internationalismus hervorhebenden Bund zu reduzieren. Wilhelm Liebknecht wird in der Hochphase des deutschen Sozialdemokratismus die Parole ausgeben: Studieren, Propagieren, Organisieren! Die für die bürgerliche Gesellschaft gefährliche Sprengkraft liegt im dritten Verb. 1877 verkündet Engels, dass es keine Sektengefahr, etwa durch Anarchisten, mehr gäbe, dass es aber in der bürgerlichen Gesellschaft stets einen geheimen  Sozialismus gäbe. Die große Einheit der proletarischen und Arbeiterparteien Europas wird als Hauptstärke des europäischen Proletariats betont, in den Schriften der beiden deutschen Klassiker sucht man vergeblich nach Lenins Gedanken aus der Phase des Imperialismus über ungleichmäßige ökonomische und politische Entwicklungen der einzelnen Länder. Diese konnten im 19. Jahrhundert zur Zeit des vormonopolistischen Kapitalismus noch nicht widergespiegelt werden.  

Stolz verkündet Engels 1877 große Wahlsiege mit 600 000 Stimmen und dass am 31. Dezember dieses Jahres 75 deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften im Dienst einer disziplinierten Arbeiterpartei, im Dienst des Zusammenschlusses der Proletarier aller Länder veröffentlicht worden waren. (Vergleiche Friedrich Engels, Die europäischen Arbeiter im Jahr 1877, in: Ausgewählte Werke, Marx Engels, Band IV, 1988,418). Zwischen 1868 und 1872 zählte die Internationale Arbeiter Assoziation über 30 000 zahlende Mitglieder.

“Ihre Haltung, ihre Organisation und Disziplin bilden einen merklichen Gegensatz zu der Schwäche, Unentschlossenheit; Unterwürfigkeit und Feigheit, die in Deutschland für alle Bewegungen der Bourgeoisie so charakteristisch sind“.
(a.a.O.,419).

In der Arbeiterklasse Europas, so Engels, bestehe völlige Einigkeit, die Sozialdemokratie war 1877 verheißungsvoll aufgestellt, Engels siegessicher. Aber es kommt primär nicht darauf an, wie eine politische Klassenkampfpartei aufgestellt ist, sondern welche ökonomischen Vorgaben die technisch-industrielle Revolution disponiert. Man kann die  Idee der Kollektivität in allen vier Himmelsrichtungen ausrufen lassen, das kann auf Sand gebaut sein, hingegen:

“Hand in Hand mit dieser Zentralisation oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewußte technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit, die Verschlingung aller Völker in das Netz des Weltmarkts und damit der internationale Charakter des kapitalistischen Regimes“
(Karl Marx, Das Kapital, Band I, Werk, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960,790).

Die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel – da haben wir die feste Kollektivburg des Marxismus-Leninismus. Doch die technisch-industrielle Revolution verbürgt nicht nur kollektive Arbeitsprozesse, sondern auch, dass die Springquellen gesellschaftlichen Reichtums fetter und fetter fließen. Durch die technisch-industrielle Revolution kann nach Engels die Produktion ins Unendliche vermehrt werden. Die deutsche SPD kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Partei am nächsten, die das Proletariat braucht, um siegen zu können, Russland brauche viele Bebels, hatte Lenin 1902 geschrieben, als die imperialistische Tendenz zur politischen Reaktion auf der ganzen Linie bereits anwuchs. 

Am 25. Juli 1914 ließ der Vorstand der SPD ihre Mitglieder noch ganz im Geist des Basler Manifestes von 1912 (Umwandlung eines imperialistischen Krieges in einen proletarischen Befreiungskrieg) gegen das verbrecherische Treiben der imperialistischen Kriegshetzer demonstrieren, um zehn Tage später im Reichstag als Fraktion einstimmig den Kriegskrediten zu bejahen. Karl Liebknecht und Otto Rühle stimmten erst am 2. Dezember 1914 bei einem weiteren Antrag auf Bewilligung von Kriegskrediten dagegen. Also vom 25. Juli bis zum 4. August 1914, in 10 Tagen kippte alles überraschend um. Lenin hielt die Meldung über die 180-Grad-Kehre für eine Ente des englischen Geheimdienstes. 

Im Kontext der russischen Oktoberrevolution schrieb ein US-amerikanischer Journalist namens John Reed damals ein weltweit bekanntes Buch: ‘Zehn Tage, die die Welt erschütterten‘. Marx sollte Recht behalten mit seiner Kritik am rückständigen deutschen Spießer. In Deutschland steht heute ein Buch noch aus mit dem Titel: ‘Zehn Tage, in denen das deutsche Volk ins langatmige und geistig unbewegliche Mittelalter zurückkatapultiert wurde‘. Auch Rosa Luxemburg sollte Recht behalten: “Die deutschen Sozialdemokraten sind die größten Halunken der Weltgeschichte“. Der Name ‘Rosa Luxemburg‘ ist in unseren Gehirnen unauslöschlich eingebrannt, denn wir müssen eines Tages ihre Halunkenaussage in die Präambel einer sozialistischen Verfassung für Deutschland einschreiben, denn da gehört sie hin. Den Kapitalisten kann man nicht vorwerfen, dass sie kapitalistisch denken, aber den politischen Spitzen der deutschen Sozialdemokraten muss man vorwerfen, dass sie Pervers Linge durch und durch sind. Es bleibt dabei: Die größten Halunken der Weltgeschichte leben (noch) unter uns.  

 

________________________

.

Ihr könnt dies Magazin unterstützen, indem ihr:

  • Freunden, Bekannten, Kollegen und Gleichgesinnten
    von diesem OnlineMagazin DER REVOLUTIONÄR erzählt;
  • Einen Link zu diesem Magazin an sie versendet;
  • Die jeweiligen Beiträge teilt oder mit einem Like verseht; 
  • Eine Empfehlung in den sozialen Medien postet;
  • Die Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit durch Artikel,
    Leserbriefe, Videoberichte und Kritiken unterstützt,
    gerne auch als Gastartikel oder Volkskorrespondent;
  • Unsere Seite bei Facebook mit einem Like verseht;
    (
    https://www.facebook.com/DerRevolutionaer);

 

 

 

 

Über Heinz Ahlreip 98 Artikel
Heinz Ahlreip, geb. am 28. Februar 1952 in Hildesheim. Von 1975 bis 1983 Studium in den Fächern Philosophie und Politik an der Leibniz Universität Hannover, Magisterabschluss mit der Arbeit »Die Dialektik der absoluten Freiheit in Hegels Phänomenologie des Geistes«. Forschungschwerpunkte: Französische Aufklärung, Jakobinismus, Französische Revolution, die politische Philosophie Kants und Hegels, Befreiungskriege gegen Napoleon, Marxismus-Leninismus, Oktoberrevolution, die Kontroverse Stalin – Trotzki über den Aufbau des Sozialismus in der UdSSR, die Epoche Stalins, insbesondere Stachanowbewegung und Moskauer Prozesse.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*