Bürgerkrieg in Deutschland. Wie Pilze schossen die konterrevolutionären Freikorps aus den Boden – und die sozialdemokratischen Demagogen bekamen Ministersessel für ihren Liebesdienst.
Die Novemberrevolution 1918 erschütterte in Deutschland die Herrschaft der Imperialisten und Militaristen schwer. Sie blieb aber auf halbem Wege stecken. Der Kaiser ging; doch die Bankherren, Industriebarone, Generale und Junker blieben. Die rechten Führer der Sozialdemokratie stellten sich schützend vor die Herren des imperialistischen Deutschlands und handelten für diesen Liebesdienst Ministersessel ein. Der revolutionäre Sturm verjagte die konterrevolutionären Kräfte in ihre Schlupfwinkel. Bald kamen sie jedoch wieder aus ihren Löchern hervor, um die Arbeiter der wenigen Errungenschaften der Revolution zu berauben.
Die alte Stütze ihrer Macht, die kaiserliche deutsche Armee, war zerfallen. Diese bewaffnete Kraft benötigten die Verderber Deutschlands aber, um ihre Restaurationspläne durchzuführen. Die Arbeiter wandelten die bürgerliche Revolution nicht in eine sozialistische um und ließen den Besitz und Reichtum ihrer Ausbeuter unangetastet. Den sozialdemokratischen Demagogen war es gelungen, den Arbeitern Sand in die Augen zu streuen und sie glauben zu machen: „Die Sozialisierung marschiert!“ Nur die Genossen der Kommunistischen Partei Deutschlands erläuterten den Arbeitern das Betrugsmanöver. Sie riefen die Arbeiter auf, wachsam zu sein und, wenn nötig, die wenigen Errungenschaften mit den Waffen zu verteidigen.
Deshalb gingen die reaktionären Kräfte gleich nach der Novemberrevolution daran, neue bewaffnete Formationen aufzustellen, um mit ihrer Hilfe die revolutionären Arbeiter niederzuschlagen und auszubluten. Die alte Offizierskaste fand dafür die Billigung und Unterstützung Noskes und der anderen rechtssozialistischen Spitzenfunktionäre. Wie Pilze schossen die konterrevolutionären Freikorps aus dem Boden und bildeten den bewaffneten Arm einer sozialdemokratischen Regierung, die sich nicht auf die Bewaffnung des Proletariats stützen wollte und konnte. Skrupellos ließen die rechtssozialistischen Minister die weißgardistische Soldateska auf die Arbeiter los.
Die Arbeiter ließen sich ihre Errungenschaften nicht kampflos rauben. Erbittert setzten sie sich zur Wehr. Sahen sie doch täglich das Beispiel ihrer russischen Brüder vor Augen, die in einer gewaltigen Revolution ihre Ausbeuter vertrieben hatten und sich ihren eigenen Staat schufen, den ersten sozialistischen Staat der Welt. In Deutschland war das Jahr 1919 erfüllt von großen revolutionären Massenkämpfen, in denen das Proletariat verzweifelt versuchte, die Angriffe der Reaktion abzuwehren. Immer aber unterlag es den vereinten Kräften der Monopolherren, Militaristen und Rechtssozialisten. Es fehlte dem Proletariat in seinen Kämpfen die Führung durch eine marxistisch-leninistische, kampferprobte Massenpartei.
Die Klassengegensätze in Deutschland spitzten sich immer mehr zu. Während die proletarischen Massen immer stärker den Tag herbeisehnten, eine deutsche Räterepublik nach sowjetischen Vorbild zu errichten, bereitete der reaktionärste Teil der herrschenden Klassen, das Junkertum und die monarchistische Offizierskaste, einen Putsch zur Beseitigung der bürgerlich-demokratischen Republik vor. Die extremste Gruppe der Konterrevolution hielt sich für stark genug und den Zeitpunkt für gekommen, um auf ihre sozialdemokratischen Lakaien und Platzhalter verzichten zu können, den parlamentarischen Mantel fallen zu lassen und die offene, brutale Militärdiktatur zu errichten.
Die militaristische Verschwörung wurde schon seit Mitte 1919 vorbereitet. Das geschah unter den Augen und mit geheimer Billigung der führenden Rechtssozialisten. Noske war sogar eine zeitlang als zukünftiger Diktator ausersehen. Zugleich konnten die Putschisten auch auf die Unterstützung gewisser Kreise der Entente rechnen, an deren Spitze die an einer Niederschlagung des deutschen Proletariats und an der Vorbereitung eines Krieges gegen die Sowjetunion interessierten USA-Monopolisten standen. Das Haupt der Verschwörung bildeten die alten monarchistischen Generale und Offiziere, deren Hintermänner vielfach führende Positionen in den Parteien der äußersten Rechten innehatten. Das Ziel war die Errichtung der Militärdiktatur in Deutschland und der Krieg gegen Sowjetrussland. Als Kampftruppen waren die Freikorps ausersehen, die sich im Bürgerkrieg gegen die deutschen Werktätigen erproben sollten.
Als der Versailler Vertrag, der eine Verminderung der militärischen Kräfte auf 100.000 Mann bis Mitte 1920 vorsah, die Existenz der konterrevolutionären Bürgerkriegsgarden bedrohte, beschleunigten die Verschwörer ihre Vorbereitungen. Während die Regierung daranging, die aufzulösenden Heeresformationen durch starke Verbände einer Sicherheitspolizei zu ersetzen und so die Kraft ihrer bewaffneten Macht zu erhalten, verlangten die Putschanhänger den Aufschub der Heeresverminderung und eine sofortige Übergabe der direkten Regierungsgewalt an die äußerste Reaktion auf legalem, parlamentarischen Wege, durch „freie Wahlen“. Als die Regierung zögerte, nahmen das die Putschisten zum Anlass, um am 13. März 1920 die Ebert-Bauer-Noske-Regierung aus Berlin zu verjagen und die Militärdiktatur der Kapp und Lüttwitz zu errichten. Bei dem Kampf zwischen Koalitionsregierung und Putschisten standen sich nicht Revolution und Konterrevolution gegenüber, sondern nur zwei Gruppen der herrschenden Klassen, die in einigen Fragen der Methode der Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klassen verschiedener Ansicht waren. Das Proletariat konnte sich gegen diese Auseinandersetzungen nicht gleichgültig verhalten. Es griff ein und richtete seinen Gegenschlag gegen seine ärgsten Feinde, gegen die reaktionärste Gruppe der herrschenden Klassen, die hinter Kapp stand, ohne dabei allerdings den Kampf gegen die anderen Gruppen einzustellen oder sie gar zu unterstützen. Die deutsche Arbeiterschaft stellte sich nicht auf die Seite einer der streitenden Parteien der herrschenden Klassen, sondern nützte die Erschütterung dazu aus, für die Verwirklichung ihrer eigenen Interessen zu kämpfen.
Die Kommunisten stellten sich in diesem Kampf in die vordersten Reihen. Sie waren es, die immer wieder vor dem Putsch gewarnt hatten. Am 15. März standen etwa 12 Millionen Arbeiter im Generalstreik, der in großen Gebieten Deutschlands zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Kapp-Truppen führte. Infolge des machtvollen, einheitlichen Auftretens des deutschen Industrieproletariats, das von beträchtlichen Teilen des Landproletariats, des Kleinbürgertums und der Beamtenschaft unterstützt wurde, mußte die Kapp-Regierung schon am 17. März zurücktreten. Die revolutionärsten Teile des Proletariats setzten den Kampf gegen die konterrevolutionären Truppen auch dann noch fort, als die Ebert-Bauer-Noske schon auf ihre Ministersessel zurückgekehrt waren. Das Ziel der Arbeiter war die vollständige Vernichtung der Militaristen. Schwerpunkte dieser bewaffneten Auseinandersetzungen waren die industriellen Zentren Deutschlands, Mitteldeutschland und das Ruhrgebiet.
Im Gegensatz zur KPD und großen Teilen der Arbeiterschaft sahen die opportunistischen und korrumpierten Führer der SPD, der rechten USPD und der Gewerkschaften mit der Wiederherstellung der alten Zustände ihr Ziel erreicht. Waren sie unter dem Einfluss der Massenbewegung gegen Kapp gezwungen gewesen, zum Generalstreik aufzurufen, um mit an der Spitze der Massenbewegung zu bleiben, weil sonst die Gefahr bestand, den Einfluss auf die Massen zu verlieren, so setzten sie nach dem 17. März alles daran, den Generalstreik abzubrechen und die bewaffneten Kämpfe zu beenden.
Die bewaffneten Arbeiter drohten die putschenden Freikorps und Reichswehreinheiten, die sie schon verschiedentlich schwer angeschlagen hatten, völlig aufzureiben. Das konnte die zurückgekehrte Regierung Bauer auf keinen Fall dulden, denn sie benötigte diese Truppen zum Kampf gegen das revolutionäre Proletariat genauso wie Kapp.
Angesichts der revolutionären Massenbewegung waren die Zwistigkeiten im Lager der Konterrevolution bald beseitigt, und die Truppen gingen wieder auf die Seite der alten Regierung über. Dafür bereitete diese ihnen den Weg zur Niederschlagung der Arbeiter. Mit ihren Beschlüssen und Aufrufen zum Abbruch des Generalstreiks spalteten die Verräter die einheitliche Kampffront des Proletariats und schwächten so die Kraft der Arbeiter. Den Anstrengungen der KPD gelang es nicht, die Einheitsfront wiederherzustellen, und so wurden die Arbeiter ein weiteres Mal durch das konterrevolutionäre Militär geschlagen. Am schwersten und längsten waren die Kämpfe im Ruhrgebiet, wo sich die Arbeiter ihre eigene starke Armee geschaffen hatten. Durch die Machenschaften der Rechtssozialisten innerlich zersplittert, von der Arbeiterschaft des übrigen Deutschlands isoliert, unterlagen schließlich auch die Ruhrarbeiter der vereinten Konterrevolution.
Ein Auszug: Otto Hennicke: Die Rote Ruhrarmee. Hier: Einleitung. Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin 1956.
„Die vorliegende Schrift stützt sich auf meine im Jahre 1955 an der Martin-Luther-Universität Halle – Wittenberg bei Prof. Dr. Stern angefertigte Examensarbeit.“ (Otto Hennicke)
In Folge: Die Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet vor dem Kapp-Putsch. Vgl. Die Rote Ruhrarmee (scharf-links.de)
Die Bereitstellung erfolgte durch Reinhold Schramm am 12. Juli 2023
Bilder und Bildtexte wurden vom Magazin DerRevolutionär hinzugefügt
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